Argumente gegen Antisemitismus

Eine Kippa tragen, in der Schule von Chanukka erzählen, Hebräisch auf der Straße sprechen – das können Juden und Jüdinnen in Deutschland nicht ohne ein mulmiges Gefühl machen. Judenhass ist immer noch tief verwurzelt in unserer Gesellschaft. Deswegen decken wir hier zehn antisemitische Mythen auf, erklären, was daran problematisch ist und zeigen Dir, was Du dagegen sagen kannst.

Im Folgenden findest Du zehn verbreitete antisemitische Aussagen, die Erklärung, was daran problematisch ist und passende Gegenargumente. Ein Tipp vorweg: Am wichtigsten ist es, ins Gespräch zu kommen. Ob die Person, die Dir gegenübersitzt, am Ende versteht, wo das Problem liegt, hast Du nicht in der Hand. Aber wenn sie zwei oder drei gute Argumente mitnimmt, ist schon viel gewonnen.

Diese Argumentationshilfe haben wir gemeinsam mit der Bildungsstätte Anne Frank verfasst.

Zehn antisemitische Mythen – und was Du dagegen sagen kannst

Mythos 1: „Es ist schlimm, dass die Juden hier solche Angst haben, aber man muss halt auch sehen, was Israel macht.“

So kann das auch klingen:

„Bei der Politik Israels kann ich schon verstehen, warum man was gegen die Juden hat.“

„Ohne Israel gäbe es auch keinen Antisemitismus mehr.“

„Du (als Jude oder Jüdin) stehst doch auf der Seite von Israel.“

Was daran problematisch ist

Das klingt so, als würde das Handeln des Staates Israel rechtfertigen, dass Juden und Jüdinnen in Deutschland bedroht oder angegriffen werden.

Das kannst Du dagegen sagen

So kannst Du darüber ins Gespräch kommen

  • Wo siehst Du den Zusammenhang zwischen Juden und Jüdinnen, deren Lebensmittelpunkt hier ist, und dem Handeln des Staates Israel? 
  • Kannst Du Dir vorstellen, was dieser Satz bei Juden und Jüdinnen auslöst?

Mythos 2: „Vielleicht sollten sie einfach keine Kippa tragen.“

So kann das auch klingen:

„Wenn die Juden und Jüdinnen nicht so anders wären, dann hätten sie auch kein Problem.“

„Ich habe nichts gegen Juden und Jüdinnen, aber Religion sollte Privatsache sein.“

Was daran problematisch ist

Das klingt so, als ob die Präsenz und Sichtbarkeit jüdischen Lebens die Probleme seien – nicht die Menschen, die die Juden und Jüdinnen angreifen.

Das kannst Du dagegen sagen

So kannst Du darüber ins Gespräch kommen

  • Sollte nicht jeder Mensch in Deutschland die Symbole seiner oder ihrer Religion ohne Angst tragen können?
  • Würdest Du das gleiche sagen, wenn jemand angegriffen wird, weil er oder sie in die Kirche geht, ein Kreuz trägt oder an Ostern Ostereier sammelt?

Mythos 3: „Die sollen sich mal nicht so beschweren, die Juden, die haben doch so viel Geld und Macht.“

So kann das auch klingen:

„Die jüdische Lobby beeinflusst die Medien/die Wirtschaft/das Bankenwesen/die Welt (…).“

„Die öffentlich-rechtlichen Medien in Deutschland sind eh von Israel gekauft.“

„Die jüdische Elite hat einfach viel zu viel Einfluss auf die Politik, vor allem in den USA.“

„Ja, aber Juden und Jüdinnen sind doch nicht arm.“

Was daran problematisch ist

Das kannst Du dagegen sagen:

Eine wichtige Sache vorweg: Es ist extrem schwer, dieses Pseudo-Erklärungsmuster zu entkräften, weil Änhänger*innen solcher Pseudo-Theorien hinter entlarvenden Gegenargumenten oft gleich die nächste Verschwörung vermuten. Es kann sein, dass es sich um ein so sehr geschlossenes Weltbild handelt, dass man gegen die immer weiter gesponnenen Erklärungen, wer nun dahintersteckt, einfach nicht ankommt.

So kannst Du darüber ins Gespräch kommen

  • Es gibt doch auch christliche oder buddhistische Chefredakteur*innen, muslimische Investmentbanker*innen und säkulare Politiker*innen. Warum denkst Du, wird die Religionszugehörigkeit nur herausgestellt, wenn es sich um Juden*Jüdinnen handelt? (Religion sollte Privatsache sein.) 
  • Die drei reichsten Menschen der Welt (Elon Musk, Bernard Arnault und Jeff Bezos) stammen aus christlichen Familien. Würdest Du deshalb eine christliche Weltverschwörung vermuten?

Mythos 4: „Jetzt konsequent abschieben, dann ist das Antisemitismus-Problem gelöst!“

So kann es auch klingen:

„Wenn wir nicht so viele Muslim*innen ins Land gelassen hätten, gäbe es gar kein Problem mit Antisemitismus in Deutschland.“

„Muslim*innen an sich sind antisemitisch“

„Das liegt ja in deren Kultur/Religion.“

„Wir haben aus unserer Geschichte gelernt, aber die nicht.“

Was daran problematisch ist

Das kannst Du dagegen sagen:

So kannst Du darüber ins Gespräch kommen

  • Meinst Du nicht, dass Antisemitismus ein gesamtgesellschaftliches Problem ist?
  • Würdest Du Hubert Aiwanger, Björn Höcke oder Hans-Georg Maaßen auch abschieben lassen? Wenn ja, wohin denn?
  • Kannst Du Dir vorstellen, welche Auswirkung dieser Satz bei muslimischen Deutschen haben kann?
  • Wie fühlt es sich für Juden und Jüdinnen an, wenn behauptet wird, es gäbe nur muslimischen Antisemitismus – und ein Großteil der Gesellschaft habe damit nichts zu tun?

Mythos 5: „In Deutschland darf man Israel nicht kritisieren.“

Was daran problematisch ist

Das kannst Du dagegen sagen:

So kannst Du darüber ins Gespräch kommen

  • Wer oder was hindert Dich daran, Israel zu kritisieren?

Mythos 6: „Jetzt muss auch mal Schluss sein mit dem Schuldkult“

So kann es auch klingen:

„Wir müssen auch irgendwann mal einen Schlussstrich ziehen.“

Was daran problematisch ist

Das kannst Du dagegen sagen:

So kannst Du darüber ins Gespräch kommen

  • Warum ist Dir das wichtig? Was stört Dich daran, an die NS-Verbrechen zu erinnern?
  • Weißt Du, dass der Begriff aus dem deutschen Rechtsextremismus kommt, um unseren demokratischen Diskurs zu schwächen?

Mythos 7: „Free Palestine from German guilt“

So kann es auch klingen:

„Deutschland ist blind wegen seiner Vergangenheit.“

„Deutschland ist total einseitig und erkennt das Leid der Palästinenser*innen nicht an, wegen der Shoah.“

„Warum müssen Palästinenser*innen für die deutsche Schuld büßen?“

„Wir haben aus unserer Geschichte gelernt, aber die nicht.“

Was daran problematisch ist

Das kannst Du dagegen sagen:

So kannst Du darüber ins Gespräch kommen

  • Wo und wie genau wirkt sich eine deutsche Schuld negativ auf Palästina aus?
  • Wenn Deutschland blind ist, was das Leid der Palästinenser*innen angeht, warum erhöht die Regierung dann die Finanzhilfen für Palästinenser*innen und die Beiträge für das Flüchtlingshilfswerk der Palästinenser*innen (UNRWA)?

Mythos 8: „Die Zionisten nehmen den Palästinensern das Land weg.“

So kann es auch klingen:

„Israel ist ein Kolonialstaat.“

Was daran problematisch ist

Das kannst Du dagegen sagen:

So kannst Du darüber ins Gespräch kommen

  • Wo sollten die jüdischen Israelis Deiner Meinung nach hingehen? 
  • Warum sollen alle Nationen ein Recht auf einen Staat haben, aber jüdische Menschen nach Jahrhunderten der Verfolgung nicht?
  • Sollte das Ziel nicht sein, dass beide Gruppen dort friedlich leben können?


Mythos 9: „Die Israelis sind genauso schlimm wie die Nazis.“

So kann es auch klingen:

„Die haben nichts aus ihrer Geschichte gelernt.“

Was daran problematisch ist

Das kannst Du dagegen sagen:

So kannst Du darüber ins Gespräch kommen

  • Was glaubst Du, wie es Holocaust-Überlebenden und Nachkommen von ermordeten Juden und Jüdinnen geht, wenn sie diese Aussage hören?
  • Warum ist es Dir wichtig, den Holocaust mit dem Handeln des israelischen Staates zu vergleichen?

Mythos 10: „Die Israelis töten absichtlich Kinder“

So kann es auch klingen:

„Kindermörder Israel“

Was daran problematisch ist

Das kannst Du dagegen sagen:

So kannst Du darüber ins Gespräch kommen

  • Sollte es nicht vielmehr darum gehen, die Würde aller Opfer zu wahren?

Blog Auf einen Blick: Argumente gegen Antisemitismus Eine Kurzversion dieser Argumentationshilfe mit allen 10 antisemitischen Mythen findest Du auch in unserem Blog. Zum Blog

Umgangs- und Argumentationsstrategien: www.stopantisemitismus.de 

Allgemeines Hintergrundwissen: https://www.anders-denken.info/

BDS-Broschüre der Bildungsstätte: https://www.bs-anne-frank.de/mediathek/publikationen/wer-ist-und-was-will-bds-eine-handreichung-zur-antiisraelischen-boykottbewegung

Safer TikTok. Strategien im Umgang mit Antisemitismus und Hassrede auf TikTok: https://www.bs-anne-frank.de/mediathek/publikationen/safer-tiktok-strategien-im-umgang-mit-antisemitismus-und-hassrede-auf-tiktok

Antisemitismus im Netz. Eine Argumentationshilfe: https://www.bs-anne-frank.de/mediathek/publikationen/antisemitismus-im-netz-eine-argumentationshilfe

Weltbild Antisemitismus: https://www.bs-anne-frank.de/fileadmin/content/Publikationen/Themenhefte/Broschuere_Weltbild_Antisemitismus.pdf

Antisemitische Bilder: 

Bernstein, Julia & Diddens, Florian (2023): Antisemitische Kontinuitäten in Bildern. 

Antisemitismus auf Social Media: 

Hübscher, Monika & Sabine, von Mering (2022): Antisemitism on Social Media

Antisemitismus in der Sprache: 

Schwarz-Friesel, Monika (2020): Judenhass im Internet

Bermann, Werner / Wyra, Ullrich (2011): Antisemitismus in Zentraleuropa. Wissenschaftliche Buchgesellschaft: Darmstadt.  

Bühl, Achim (2019): Antisemitismus: Geschichte und Strukturen von der Antike bis 1848. Marix Verlag: Wiesbaden. 

Bühl, Achim (2020): Antisemitismus: Geschichte und Strukturen von 1848 bis heute. Marix Verlag: Wiesbaden.  

Lipstadt, Deborah (2019): Antisemitism. Here and Now. Scribe: London. 

Longerich, Peter (2023): Antisemitismus. Eine deutsche Geschichte. Von der Aufklärung bis heute. Pantheon Verlag: München.  

Nirenberg, David (2017): Antijudaismus. Eine andere Geschichte des westlichen Denkens. C.H. Beck: München.  

Roth, Markus (2023): Antisemitismus. Die 101 wichtigsten Fragen. C. H. Beck: München. 

Steinke, Ronen (2020): Terror gegen Juden: Wie antisemitische Gewalt erstarkt und der Staat versagt | Eine Anklage. Berlin Verlag. 

Steinke, Ronen (2022): Antisemitismus in der Sprache: Warum es auf die Wortwahl ankommt. Duden. 

Sznaider, Natan (2022): Fluchtpunkte der Erinnerung. Über die Gegenwart von Holocaust und Kolonialismus. Carl Hanser Verlag: München.  

Zimmer, Jürgen (Hrsg.) (2023): Erinnerungskämpfe: Neues deutsches Geschichtsbewusstsein. Reclam: Dietzingen. 

Brumlik, Micha (2021): Postkolonialer Antisemitismus? Achille Mbembe, die palästinensische BDS-Bewegung und andere Aufreger. VSA Verlag: Hamburg. 

Mendel, Meron / Cheema, Saba Nur / Arnold, Sina (2022): Frenemies. Antisemitismus, Rassismus und ihre Kritiker*innen. Verbrecher Verlag: Berlin. 

Mendel, Meron (2023): Über Israel reden. Eine deutsche Debatte. Kiepenheuer & Witsch: Köln.  

Mendel, Meron (Hrsg.) (2023): Singularität im Plural. Kolonialismus, Holocaust und der zweite Historikerstreit. Beltz Juventa: Weinheim Basel. 

Laumann, Vivien / Coffey, Judith (2021): Gojnormativität. Warum wir anders über Antisemitismus sprechen müssen.

Rabinovici, Doron / Speck, Ullrich / Sznaider, Natan (2004): Neuer Antisemitismus? Eine globale Debatte. Suhrkamp: Frankfurt.   

Rabinovici, Doron / Speck, Ullrich / Sznaider, Natan (2019): Neuer Antisemitismus? Fortsetzung einer globalen Debatte. Suhrkamp: Berlin.

Gegen Antisemitismus: Aktuelles im Campact-Blog

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